Ausstellung der GEDOK Wupperal in der Ruhr Gallery Mülheim
Einführung: Dr. Jutta Höfel

Sonntag, 6. Februar 2022, 14.00 Uhr, Galerie an der Ruhr, Ruhrstraße 3, 45468 Mülheim a. d. Ruhr

Im Rahmen dieses neuen Projekts der Fachabteilung Bildende Kunst der GEDOK Wuppertal e.V. werden 16 Künstlerinnen einen Einblick in ihr aktuelles künstlerisches Schaffen vermitteln.

Die GEDOK-Autorin Dr. Jutta Höfel wird im Rahmen der Vernissage einen umfassenden Ein- und Überblick über die Ausstellung vermitteln.

Einführung von Dr. Jutta Höfel:

In ihrer Jahresschau präsentieren 16 Künstlerinnen der GEDOK Wuppertal den aktuellen Stand ihrer Arbeit, zeigen Fotografie, Installation, Malerei, Objekt und Zeichnung die sich in unterschiedlichen Graden der Abstraktion und in faszinierenden Aspekten entfalten.

In ihrer Serie „fünfquadrat“ stellt Heidi Becker ein Spektrum gewölkter Grundflächen nebeneinander und legt darauf einzelne scharfkantig-eckige wie fetzig-herausgerissene Partien, die als Phantasiefische in farbigen Wassern oder Drachen in leuchtenden Lüften schweben. Die Arbeit der Künstlerin wird bestimmt durch die Konzentration auf die rhythmische Gestik des Malens und die Freude an den sinnlichen Qualitäten der Materialien. So strahlt aus dem mächtigen Sienasediment mit den zarten Einschlüssen von Pinselspuren die kontemplative Atmosphäre eines dunstig-goldigen Abendglühens.

Die Fotografin Helga von Berg-Harder spielt in ihrem Doppelbild „Natur-be-greifen“ mit den Wechseln von hell und dunkel und den Korrespondenzen kreatürlicher Strukturen. Im oberen Teil strecken sich in kalten grünen, blauen und orangen Schein getauchte kahle Bäume und fühlen mit den Armen und Fingern ihrer Äste und Zweige, die zugleich den Dendriden der Nervenzellen gleichen, in den finsteren Winterhimmel. Darunter erheben sich tastend zwei in Strick gesteckte Hände, schwarz zu den Spitzen, zu den Wurzeln hin durch Überblendungen weich weiß aufgelöst, vor diffus-moosigem Licht.

In einer Reihe von Werken, die während der Coronaruhen entstanden, „belichtete“ – so der Titel –  Sabine Bohn die ihr von einem Gedicht inspirierte graue Düsternis einer Gefängniszelle durch zarte Acryl-Lasuren von feinen Blatt- und Blütenentfaltungen, die wie die Rundung eines Wolkenplumeaus in leicht gegilbten violetten und grünlichgelben Tönen herabhängen. Eine fedrige Blumigkeit durchzieht auch das zweite Werk, „Sonority“, in dem das Mobiliar eines Zimmers in einen Schwebezustand geraten ist, in einen Traumraum voll unsichtbarer innerer Klangfülle, der äußere Begrenzungen überwindet.

Auf einen rotflammenden Grund stellt Shahin Damizadeh drei ockerweiße Schemen, deren Farbreliefs sich an den Rändern auflösen. In all ihrer Abstraktheit sind es Menschen, die dort gehen, mit aufrechten Köpfen und Schultern, die manches tragen, geisterhaft in ihren hellen Hüllen, wie eine Fata Morgana in Wüstenwinden wandernd, einer dem anderen folgend durch das Unwegsame, durch eine Feuerhölle äußerer und innerer Zerstörung. Überzeugt, dass Kunst Schönheit zur Freiheit schenkt, schafft die Malerin in ihrer Arbeit „Immigrant“ einen Zauber für den Umgang mit den Schrecklichkeiten unserer Realität.

Das räumliche Zusammenwirken ihrer gegrenzt aneinander gesetzten, strukturierten leuchtenden Lasuren steht für Gaby van Emmerich im Fokus ihrer Malerei. Aus diesem Kaleidoskop bildet sich Landschaftliches heraus: die Konturen von Berghängen, die Grüntöne von Wäldern und Wiesen, Wasserblau, rote Hausdachtupfer und ein türkis gestimmter Himmel. Der „Ruhrtempel“ lässt aus schwärzlichen Tönen, dunklem Rot und gelbgrünem Fließen die aus der Kohle- und Feuerwirtschaft renaturierten Gebiete entstehen, und das Chaos im „Vulkanland“ veranschaulicht die Zerstörung durch gewaltig aufbrechende Kräfte.

In ein Spiel mit den Elementen zieht uns Cornelia Ernenputsch mit ihren Werken, die den Reiz ihrer Farbigkeit aus einer Verschmelzung von oxydierendem Eisenpulver und Acryl beziehen, deren lichte, flüssig lasierende Blautöne sich bis in schwärzlichen Rost hinein verdichten. Die in untergründige Spachtelmasse gezogenen Streifen und Schleifen, deren Exaktheit zum Teil verwischt ist, bringen mit der nahezu technischen Dynamik von Drehungen zugleich das Organische der Wachstumsringe und Rinden von Bäumen und etwas Ornamentales in die Darstellung, in der sich Luft und Erde, Wasser und Holz verbinden.

Sabine Gilles Wunschtraum während der von Corona verhinderten Reisen war „kreta“, dessen Atmosphäre die Künstlerin aus wenigen Attributen konzentriert: vertikale rosa und hellblaue Bereiche links und rechts um ein dunkles Braun markieren den Blick durch einen Türrahmen auf Meer und Himmel. Die schwarze Zeichnung, die als florale oder geometrische Signatur über den Flächen liegt, mündet nach unten hin nach in ein kompaktes Dunkel. Einmontiert über der Schwelle schwebt ein wie ein vages antikes Architekturdetail die Öffnung eines Wasserhahns, aus dem die ockergrau schlierende Substanz versiegt.

Die Installationen von Maren Hering weisen uns durch die verfremdete Zitierung gewohnter Anblicke auf die Plastikverseuchung unseres Planeten hin. Ein „Prozess“ beginnt mit bunten, luftig gefüllte Mülltüten, die keine Wunschballons sind, sondern den Weg ihrer Unverrottbarkeit durch alle Bereiche unseres Daseins bis tief ins Gestein der Erde antreten. Und am Strand erstreckt sich schon breit ein „Schwarm“, nicht der Organismen flacher Uferregionen, sondern der Relikte von Schnüren und Netzen, aufgepinnt wie auf einer maritimen Schautafel  als vernichtende Frontlinien gegen alles Lebendige.

Durch ihre Salzformationen verwandelt Petra Korte alltägliche Gegenstände zu erstaunlichen Objekten, zum Beispiel ein Buch, dessen Hülle glitzernder Sternchen und spitziger Miniaturkrater die Lektüre versiegelt und unserer Phantasie andere Projektionsflächen bietet. In „Read On“ spielt das Thema des Romans „Homo Faber“ zwischen kristallinen Seitenüberwucherungen eine Rolle: Max Frischs Protagonist setzt auf die Berechenbarkeit der Welt, die ihn mit spontanen Zufällen aus der Bahn seiner Existenz wirft – eine Parallele zum einerseits geometrischen, andererseits unvorhersehbaren Wachstum der Mineralien.

Liane Lonken entführt uns nach „Genezareth“, lässt uns wie aus einer Höhle zwischen Tropfsäulen auf den See schauen, über dem das Licht in weißen Spritzern aufgleißt. Die Faszination dieser Farbwelten entsteht aus vielfältigen Mixturen von Öl und Acryl, die kräftig gestrichen und zart gespritzt einander durchwirken. In einer für die Künstlerin typischen Variationsreihe des Szenarios löst sich die steinerne Umfassung vor unseren Augen in einen wildbewegten dunklen Himmel und einige Stelen am Ufer auf, dann tauchen wir zwischen leicht im Wellenschlag sich wiegenden Halmen in sonnenleuchtendes Wasser.

Für diese Ausstellung hat Simone Ramshorns Quadrate mit korrespondierenden Farbklimaten gewählt,deren größeres eine vertikal-ragende Formation „irgendwo dazwischen“ stellt. Die braunroten, türkisen und ockrigen Partien werden in der „kleinen Landschaft“ horizontal gelagert und evozieren eine moorige Heidetundra, über die der Blick zu Schneeufern und Gletschern gleitet, während tiefes Blau „ozeanische Gefühle“ vermittelt.

Die Arbeiten der Künstlerin reifen in vielschichtigem Auftrags- und Trocknungsprozessen der mit Pigmenten versetzten Acrylfarbe, die einzigartige Strukturen und Töne hervorbringt.

Im Spannungsfeld der Fragen nach den Grenzen künstlicher Intelligenz portraitiert Alexa Reckewitz Protagonisten aus früheren und neueren Science Fiction-Filmen. Die Galerie führt uns vom Blechdosen-Mann und einer Mechanik mit Okular hin zu dem kalten Plastik-Korpus der Roboter und der nahezu perfekten androiden Replikation. Mit schnellen sicheren Strichen der Kohle auf Papier erfasst die Künstlerin die Konturen der Gesichter, die sie mit Schraffuren modelliert und vor einen oft schwarzen Hintergrund stellt, der die endzeitliche Stimmung von dem Klassiker „Metropolis“ bis zur „Blade-Runner“-Ästhetik einfängt.

Die Diabolo-Spielerinnen in ihrer abgestimmten Choreographie sind charakteristisch für Irmhild SchaefersFigurendarstellung: angedeutete Gesichtszüge, leuchtende Farbstriche für Körper und Kleidung vor dem flüssig vermalten Hintergrund einer diffusen Umgebung. Aus sich überlagernden und aneinander grenzenden Flächen komponiert die Künstlerin ihre Sujets, die sich aus der Distanz in ein Ganzes zusammenziehen. Wie der Blick auf die Flusslandschaft durch die zarten, schon wässerigen Binsen über die mittig helle Tiefe des Gewässers zu den Hügeln, deren Felder und Wiesen im bewegten Spiegel verschwimmen.

Rita Viehoff  präsentiert einen Ausschnitt ihrer Malerei unter dem Titel „freerunning“, der sich vom Landschaftlichen in abstraktere Formationen bewegt. In einer Arbeit zeigen sich Aspekte von Wasser, Wiese und Steinblöcken, während die andere – vielleicht – eine abendliche Felskulisse um einen See evoziert, noch rosig und doch schon nächtlich blau. Die Acryl-und-Öl-Palette der Künstlerin in hat eine besondere, oft durch Grauabmischung gedämpfte Farbigkeit, die mit einzelnen kräftigen Akzenten hervorgehoben und durch weiche, breit verstrichene Kreiden zur gestalterischen Einheit ergänzt wird.

Ohne Titel ist Daniela Werths Gemälde auf Leinwand,  das sich mit fließenden Farbfluten all unserer Assoziationsfreiheit öffnet: einiges helles, transparentes Grünblau an der Oberfläche, darunter dunklere Schichten, die im Zentrum in einen schwarzen Krater ziehen, aus dem zugleich rotbraune Ströme und Schlieren aufsteigen, als käme dort noch Abgründigeres, Glutiges herauf, begleitet vom leichten Gesprudel zarter weißer Spritzer. Zwischen Korallengelagertem erscheint eine bisher unbekannte, neu zu entdeckende Flora und Fauna von Tiefseefischigem, Schlangengewundenem und Medusenhaarigem.

Erika Windemuths Installation „No Farewell“ besteht aus Trauerschleifen, mit denen wir die letzten Grüße für die Verstorbenen zum Ausdruck bringen, als könnten wir uns – ohnmächtig, wie wir sind angesichts des Todes – für eine kleine Weile noch mit ihnen verbinden. Aus den steifen, glänzend-changierenden, fransigen, bedruckten Stoffbahnen legt die Künstlerin in vier Quadraten ein längs und quer verschränktes Patchwork in dessen unterer Partie warmes Goldiges gegen kühleres Blaugrün gesetzt ist. Der Titel verweist auf die Aktualisierung der Arbeit in der Corona-Welt, in der oft kein persönlicher Abschied möglich ist.

Mit den spannenden Kontrasten, den interessanten Korrespondenzen und mit jedem einzelnen Werk laden wir herzlichst dazu ein, in der Beschäftigung mit Kunst Schönes und Anregendes zu erleben.

© 2022 Dr. Jutta Höfel