Werkschau der GEDOK Wuppertal in der Ruhr Gallery Mülheim
Einführung: Dr. Jutta Höfel
Sonntag, 14. April 2024, Galerie an der Ruhr, Ruhrstraße 3, 45468 Mülheim a. d. Ruhr
Im Rahmen dieser, nunmehr zum dritten Mal stattfindenden Werkschau der Fachabteilung Bildende Kunst der GEDOK Wuppertal e.V. werden Künstlerinnen einen Einblick in ihr aktuelles künstlerisches Schaffen vermitteln.
Die GEDOK-Autorin Dr. Jutta Höfel wird im Rahmen der Vernissage einen umfassenden Ein- und Überblick über die ausgestellten Exponate vermitteln.
Zu sehen sind Werke von:
Heidi Becker, Farnaz Ali Pour Beheshti, Iris Bieschin, Marlies Blauth, Helga von Berg-Harder, Shahin Damizadeh, Cornelia Ernenputsch, Sabine Gille, Petra Göbel, Liane Lonken, Kirsten Radermacher, Simone Ramshorn, Alexa Reckewitz, Ilona Reinhardt, Anke Schmidt, Annette Schnitzler Claudia Schnitzler und Daniela Werth.
Einführung von Dr. Jutta Höfel
Wir beginnen unseren Rundgang im Foyer mit Simone Ramshorns Doppelformat, das uns zunächst mit seinen schwarzdunklen Partien in Bann zieht, bevor wir uns auf die hellgelben, zartblauen und rosigen Passagen einlassen, die uns mit dem Titel eine „Leichte Zeit“ schenken. Durch das vielschichtig-lasierende Farbgeschehen, das die Künstlerin mit kraftvoller Geste auf die Leinwände bringt, steigern und durchdringen die Kontraste einander. Das kühltonige „Winterschön“, das Simone Ramshorn in der 1. Etage zeigt, spielt mit der Gewichtung massiver horizontaler Schichtungen und filigraner vertikaler Laufspuren, eisiger Himmelsspiegel und wasserblauer Schmelztropfen.
Heidi Beckers „pink paradise“ entführt uns in eine nordische Atmosphäre: Unter neongrün blitzdurchzuckten Lichtwirbeln, die sich in der Intensität des Farbauftrags reflektieren, lagern schwarzblau ziehende Inseln in violetten Meeren. Für die Künstlerin zählt das Prozesshafte des Malens, dessen Ebenen sie durch zwischenzeitlich übergeklebte Partien bewahrt und bei ihrer Aufdeckung in die gegenwärtige Oberfläche des Bildes einholt. Das gilt auch für ihre oben hängende Dreierserie „woher wohin“, die im Wechselspiel von Kalkül und Willkür dunkelrote Flächen exakt aneinander grenzt, aus denen kleine zackig umrissene Fragmente leuchten.
Im ersten Raums rechts begegnen wir Ilona Reinhardts aus Wollvliesen gewirkter „Waldfahne“, deren bräunlich-grün gesprenkeltes Netz das komplexe Wirken organischer Gewebe von den Wurzeln bis zu den Wipfeln auffängt. Im Gegensatz zu dieser natürlichen Anmutung reizen die oben zu sehenden Serien der Künstlerin unsere Sinne durch sich ballende und blähende, schwellende Geschwülste in grellen Farben. Der „Fungus“ überzieht die Leinwand mit gezausten Flusen in neongelb gehüllten Blasen, während die violett hervorplatzenden Knollen und lose blätterige Schichten der „Schleimpilze“ in rosig erstarrte Fäden eingesponnen sind.
Mit einer Verbindung von Collage, Zeichnung und Malerei ruft Cornelia Ernenputsch den Mythos des „Phönix“ herbei, der aus seiner Asche aufersteht. Die Künstlerin legt bewegte rote Acrylschichten übereinander, deren glimmendes Feuer und pulsierendes Blut von verkohlenden Ästen und Adergeflechten durchzogen sind. Der konzentrierte Tanz der zentralen wie mit grauweißem Staub bedeckten Gestalten über dem Vulkan ist für winzige Augenblicke festgehalten: eine Frau wirkt mit aufwirbelndem Haar und Kleid dem Wind hingegeben, und ein Mann erhebt sich springend in die Luft, das Gesicht dem Himmel zugewandt, als lösten sich beide aus ihrer Erdverhaftung.
Ihre Malerei entwickelt Farnaz Ali Pour Beheshti aus persischen Miniaturen und anderen stilistischen Impulsen zu eigenem Ausdruck. Auf dem gekörnten Papier zieht die Künstlerin in fließenden Linien ihre Figuren, die sie mit teils pastelligen, teils kräftigen Aquarelltönen füllt. In ihrer Sammlung „Lost Feeling of a Woman“ sehen wir in sich versunkene ockerfarbene Erd- und Wasserfrauen, umgeben von bläulichen und grünlichen Schleiern, die sich zu Landschaften an Ufern und Stränden formen. Und Paare, die sich schmiegen, umarmen, einander halten, vereint durch innere Lebensfäden, die äußere Konturen überzeichnen.
Nächster Raum:
In ihrem Werkkomplex „Herbarium“ widmet sich Marlies Blauth floralen Kunstwerken, deren Natur sie mit verschiedenen Gestaltungen nachspürt, unter anderem durch die Kombination von Collage und Malerei. Eines ihrer Sujets ist die andauernde Schönheit der „Hortensien“, die von den ersten grünen Knospen über blaue und violette Entfaltungen bis in ihr tausendtoniges Verblassen und die bräunlichen nachwinterlichen Skelette ein weites Spektrum entfächern. Die zugleich zarten und kraftvollen Dolden setzt die Künstlerin kontrastreich vor helle oder dunkle Hintergründe und verleiht ihnen mit andersfarbigen feinen Papieren anschauliche Blütenbättrigkeit.
Anke Schmidts Installation „Die weiße Frau“ öffnet vielfältige Spannungsbögen angefangen von Titelassoziationen zu diskriminierenden Verurteilungen und sich rächenden Wiedergängerinnen. Die filmischen, textlichen und arrangierten Elemente, darunter kleine Waschkännchen mit in die Taille gestemmten Armen und ein über den Rahmen geworfenes Papier in der durchschnittlichen Größe der weiblichen Hautoberfläche verbinden sich in der glaslos-durchgängigen Vitrine zu Episoden von Verletztheit und Widerständigkeit. Mit „Case of fire“ evoziert die Künstlerin vielschichtig und in roter Rahmung ihre Auseinandersetzung mit dem zerstörerischen Erlebnis eines Brandes.
In ihrer zweiteiligen Arbeit „Border“ thematisiert Iris Bieschin das Aufeinandertreffen von Verschiedenheiten: Mit welchen Effekten reagieren Gewebe, Papiere und Kartonagen
auf die Haptik und Tonalität von Farben? Im großen Format betont die Künstlerin die Trennung durch eine schwarz aufbrechende Nahtstelle, während im kleineren, durch den Wandwinkel abgegrenzten Objekt sanftere Begegnungen stattfinden. Die „Red lines“ oben ziehen eine Girlande geschwungener Bögen über sich fortsetzende Bildgründe, deren Geschichte, wenn es eine ist, mit einer goldenen Krone beginnt und hinter einem Vorhang aus bunten Bahnen endet, wenn.
Links ergießt sich Claudia Schnitzlers „Goldfall“ knitternd aus einer kleinen schwarzen Umhüllung – die einst eine Kartoffeltüte war – bauscht sich in kristallin anmutenden Reliefs aus hauchiger Metallfolie in den Raum und fasziniert uns mit seiner Ästhetik. Vielleicht denken wir dann über echtes Ackergold nach und gleißend fallende Aktien und, ob diese Rettungsdecke gegen den Verlust lebendig fließenden Wassers helfen mag. Für ihre Installation „Stabilität II“ verwandelt die Künstlerin feste braune Füllpapiere, dreht sie zu Ringen, prägt ihnen Wellen ein, bündelt und breitet sie aus wie große Spielzeuge für unsere Phantasie.
Im hinterer Raum zum Hof stoßen wir auf Sabine Gilles Decollagen aus aufgeschlitzten
und um eine wirbelige Mitte aufgeblätterten Zeitungsseiten, deren Text- und Bildfragmente uns zu einer Remontage anregen, aus dem Aufgerissenen neue Zusammenhänge zu lesen oder alte besser zu verstehen. Zum Beispiel über die lebensbedrohlichen weltweiten Dürren oder über in Regenzeiten zusammenstürzende Bergwerke, in denen Menschen lebendig begraben werden und sterben, während andere Goldgräber unberührt weiter schürfen. Und wir? Finden wir Trost in einem Schnipselcocktail, auf dessen Grund ein nach wie vor rätselhaftes Lächeln wartet?
Mit Grafit und Tusche auf Papier, mit Flächen und Strichen, mit statischen und dynamischen Elementen erkundet Annette Schnitzler ihre Bildräume, deren Leichtigkeiten und Schweren, Tiefen und Oberflächen, lotet sie aus durch Auswachsendes, Amorphes, Abweichendes, Asymmetrisches. Ihre „Ostseestücke“ beginnen mit eckigen Konturen und Flächen vor dem Hintergrund grauweicher Lineaturen und Verläufe, in der Mitte verteilen sich drei massive Komplexe auf viel freier weißer Fläche während das letzte aus Schattierungen und sich verdichtender Zeichnung wirkt.
Erste Etage
Liane Lonkens Serie „Totholz“ hält die unübersehbare Zerstörung der Wälder fest: ein Gewirr von Bruchstücken borkiger, bemooster und halb geschälter Stämme und Äste, filigranem dürrem Gezweig, angeschwemmt auf den schlammigen Lehmsandufern eines Gewässers, von rötlichen Sedimenten umlagerte Gehölze wie ausgeblichene Gebeine. Mit ihrer Kunst ist Liane Lonken dicht an der Natur der Dinge, denen sie mit den vielschichtigen Lasuren der Ölfarben eine greifbare Plastizität verleiht, die unser Sehen auf das Geschehende hin fokussiert und uns mahnt, die einzige Welt, die wir haben, besser zu verwalten.
Daniela Werth zeigt eine Hommage an die Vergänglichkeit, gewidmet einem mumifizierten Küken, einem Vogel-Faun in zwei spiegelverkehrt einander zugewandten, verschiedenen Abbildern. Mit ihren expressiv-kraftvollen Strichen unter und auf Acrylglas umreißt die Künstlerin in verschiedenen Transparenzen und Überdeckungen das Skelett mit der daran zusammengetrockneten Haut und gibt dem toten Tier ein aschiggraues Gefieder, als sei es für einen Moment noch einmal belebt und flattere und schreie in der Panik seines Sterbens. Dabei wirkt eines der Wesen wie fest gebannt in Ohnmacht, das andere in weicheren Konturen aufgelöst.
Mit ihrem Selbstporträt „Mein Auge“ schaut Shahin Demizadeh uns intensiv an, die Hände aus Entsetzen vors Gesicht geschlagen in Gedanken daran, wie viele Menschen im Iran durch einen Schuss in die Augen verletzt und getötet wurden. Auf die im Äußeren weiß bleibende Papierfläche setzt sich die Malerin von außen nach innen in einander überlagerndes Ockergold, Braun und Schwarz, in einst leuchtende und sich verdunkelnde Rahmen ihres Lebens. Der Bereich um ihren Kopf ist von wilden, explosiven Farbgesten durchtobt, von Drehmomenten, heftigen Zügen und abrupten Abbrüchen, deren Erschütterungen wir nur erahnen können.
Helga von Berg-Harder sucht und findet die Besonderheit poetischer Momente im Vorübergegen, zum Beispiel im Wald, wo eine schwärzlich werdende Wurzel zwischen trockenem Herbstlaub und neuen Blättchen ein friedlich ausgestreckter „Schlummerer“ ist, vorübergehend oder für immer ruhend. Dass die auf einer blauweißgrüngoldenen Kugel sitzende Fliege gleich das ganze Universum zu verschlucken droht, liegt im Augenzwinkern der Betrachtenden. Manchmal arrangiert die Fotolyrikerin ihre Motive wie ein oranges Auge in das Eulengesicht einer bemoosten Baumrinde, oder sie lässt die Geheimnisse der Lichtmalerei an sich wirken.
Mit ihrer fotografischen Installation ergründet Kirsten Radermacher die physischen und psychischen Folgen eines heftigen Sturzes in den Schnee. Auf das dunkle Gewebe des Vorhangs, der sich schwarz über das Bewusstsein senkte, sind analoge Infrarotbilder gesetzt, deren diffus wabernde Helligkeiten zurückkehrende Gedächtnissequenzen oder betroffene Körperpartien im Röntgenbild andeuten. Dazu kommen Ausschnitte aus Selbstporträts, weich grenzende Flächen von Haut und Haar, die Verletzbarkeit betonen, sowie ein Tischobjekt, das Aufnahmen zu einem Gebirgsrelief schichtet und damit auch die Frage der Künstlerin nach der Entgrenzung der Fotografie stellt.
„Kleine Auszeiten“ nennt Petra Goebel ihre Serie von Fotografien, in der die Anordnung der Abzüge, die von außen nach innen etwas höher werden, das zentrale Motiv betont: ein Ständer mit schwingend-gerüschten Sommerkleidern. Links und rechts davon werden spiegelbildliche Aspekte im Kontrast von belebtem Außen und leer scheinendem Innen gegenübergestellt. Einerseits die Terrasse eines Imbiss mit einem entspannt zurückgelehnten, uns anschauenden Mann, zum anderen eine verlassene Veranda, schließlich ein auf dem Straßenpflaster sitzendes Paar in Rückenansicht und ein durch Jalousie und Vorhang halb verwehrter Blick.
In ihrer graphic novel „Unterwegs“ verbindet Alexa Reckewitz Eindrücke einer frühmorgendlichgrauen Fahrt mit Zitaten aus Jack Kerouacs Roman „On the road“. Die Zeichnung der Landschaft mit Bäumen und Windrädern evoziert die Geschwindigkeit durch sich verzerrende und entschwindende Gegenstände, deren Dynamik sich im Schriftbild wiederfindet. Die Künstlerin interessiert sowohl die transitorische Wahrnehmung der Welt als auch die letztliche Unhaltbarkeit alles zu Erlebenden. Die Kunst des Buches, in dem sich vor- und zurückblättern lässt, hebt diese Erfahrung der Vergänglichkeit für eine Weile auf.
Wir wünschen Ihnen viel Vergnügen bei der Entdeckung der vielen interessanten Aspekte dieser Ausstellung, deren Kuratorinnen Heidi Becker, Liane Lonken, Daniela Werth, beim Aufbau unterstützt von Alexa Reckewitz, wieder einmal ein Konzept geschaffen und verwirklicht haben, in dem jede Arbeit ihren passenden Platz bekommt und viele Bezüge zwischen ihnen entstehen. Unser großer Dank gilt Alexander Ivo Franz, der uns seine wunderbaren Räume zur Verfügung stellt
©2024 Dr. Jutta Höfel