Ausstellung der GEDOK Wupperal in der Ruhr Gallery Mülheim
Einführung: Dr. Jutta Höfel

Sonntag, 5. Februar 2023, 15.00 Uhr, Galerie an der Ruhr, Ruhrstraße 3, 45468 Mülheim a.d. Ruhr

Im Rahmen dieses, nunmehr zum zweiten Mal stattfindenden neuen Projekts der Fachabteilung Bildende Kunst der GEDOK Wuppertal e.V. werden 17 Künstlerinnen einen Einblick in ihr aktuelles künstlerisches Schaffen vermitteln.

Die GEDOK-Autorin Dr. Jutta Höfel wird im Rahmen der Vernissage einen umfassenden Ein- und Überblick über die Ausstellung vermitteln.

  • GEDOK-Jahresausstellung 2023
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GEDOK-Jahresausstellung 2023

Rundgang durch die GEDOK Jahresausstellung 2023

Einführung von Dr. Jutta Höfel

Ich freue mich sehr, auch in diesem Jahr mit Ihnen gemeinsam auf einem Rundgang 

durch die Ausstellung die neuen Werke der GEDOK-Künstlerinnen zu entdecken: mit jedem Schritt eine andere Welt, die unser Staunen, unsere Gedanken, unser Sein belebt. 

Erdgeschoss

Wie einen gigantischen Ballon lässt Heidi Becker ihre Komposition „62“ mit violetten Acryltönen auf der Leinwand emporsteigen, wie von einer innen leuchtenden Laterne mit kaleidoskopischen Flächen getragen, von denen hier und da durch die vielschichtigen Aufträge ein heller Schimmer aufscheint und gehalten von Schnüren, die blau durch die Schwärze laufen. Im Obergeschoss zeigt die Malerin einen Balanceakt vor universaler Kulisse („untitled 61“), die Rückansicht einer Kreuzigung zugleich, vielleicht, unter der zwischen dem ruhigeren Blau des Alls und dem bewegteren Gelb eines Stern ein magisches Pinselfeuer oszilliert. 

Gaby van Emmerich nimmt uns mit in „einen Tag im Sommer“, dessen Versprechen von Leichtigkeit und Genuss sie mit satten warmen Farben in Szene setzt: Wir tauchen ein in Augenblicke von schon reifem Getreide und noch frischen Trieben zwischen einzelnen Facetten des Himmels- und Wasserblaus. Die opak übereinander liegenden, vom Relief der Pinselspuren durchzogenen Flächen sind im linken Teil des konzentrierten Formats kleinteiliger in gelbgrünlichen Ovalen angelegt, nach rechts hin öffnen sich durchgehender vermalte dunklere Areale, als kämen wir aus dem Flirren der Blättersonnen in kühlen Schatten.  

In der Fotoinstallation „Nordstadt“ fängt Petra Göbel das Kolorit reizloser Innenstädte ein: 

Werbung für digitale Geschäfte und einen analogen Tatoo- und Barbershop, wenige Menschen, einer mit einer Virtual-Reality-Brille, die ihm die Stadt im 19 Jahrhundert zeigt.  Doch gibt es auch die schwarze Silhouette der Dächer und Türme unter rotrötlichem Wolkenpanorama, und, von uns meist unbemerkt, eine Ästhetik in dem, über das wir gehen, an dem wir vorübergehen: Treppen, Pflastersteine, Baumgitter und Kanaldeckel, welkes Laub, verlorene Teppichrollen, abgestellte Schuhpaare, eine einzelne Elster. Die Fotografin blendet nichts aus, sondern fordert heraus zum genauen Schauen.  

Isabel Kämpf setzt ihre explosiven Farbereignisse fort, die aus den Flächen in aleatorische Einzelheiten zerspritzen und zersprühen.  In drei größer werdenden Formaten mit Acryl auf Leinwand löst sich von links unten nach oben rechts die kompakte Konzentration der violett-rosigen Areale auf weißem Grund, weitet sich zu Kontinenten, die schwarze, figurative Signaturen tragen, die an abstrahierende Höhlenmalerei erinnern. In der einzelnen großen Arbeit sind leuchtende Farben von zutiefst Grauem überdeckt, überstrichen und überlaufen, nur wenige Neontöne glühen noch in dieser Endzeitstimmung.  

Der außergewöhnlichen Josephine Baker widmet Petra Korte eine dreiteilige „Hommage“ 

in einer Collage auf Nessel, gestaltet in Kohle, Walnussfarben und Salzen mit sich wiederholenden schwarzweißen Fotografien, deren Personenreigen sich in geschnittenen und gefalteten Papierfiguren fortsetzt.

Rechts und links rahmen Großformate des berühmten Auftritts in den Folies Bergère 

eine Assemblage, in der die tanzende Lebenslust zum Ausdruck kommt, 

die der vielseitigen Künstlerin die Kraft schenkte, sich gegen die ungerechte gesellschaftliche Rasterung von gut und böse und für eine globale Menschlichkeit zu engagieren. 

Mit ihren auf wenige Attribute reduzierten Collage-Zeichnungen entwirft Cornelia Regelsberger witzig-ironische Traumnotate, deren kompaktere Papierausschnitte von zarterer Strichführung und Kolorierung ergänzt werden und mit dieser Kombination unsere Phantasie anregen:  Da ist eine offen hohlköpfige Katzenprinzessin auf dem Skatebord, ein Panzerknackerpanda schwebt über königlichem Bett, von Liebesherzchen getragen springt die Jägerin in die Luft, statt sich auf die Beute zu stürzen, und unterm Schirm balanciert ein androgynes Geschöpf, vermutlich ungewiss darüber, dass ein einzelner Finger das Seil gespannt hält. 

„Nur Fliegen ist schöner“ zeigt uns Annette Schnitzler in der oberen Etage.  Hier unten konzentriert sich die Künstlerin auf kleine schwarzweißgraue Serien, in denen sie mit un- und regelmäßigen Geometrien die Gewichtung von Flächen gestaltet. Drei- und Vierecke entfernen sich voneinander, während ihr zunächst schattierter Hintergrund sich in durchgehende Kreuzschraffuren löst. Konstruktive Zeichenelemente und gestreifte Komplexe demonstrieren auch dreidimensional Leichtigkeit und Schwere. Klare Strichungen gleiten in diffuse Areale,  und freiere Lineaturen verbinden Mikro- und Makrokosmos mit winzigen Insektengängen im Holz und kolossalen Zeichen unbekannter Kulturen. 

Daniela Werth unterlegt ihren „murder clowns“ rötlichbräunliche Lasuren auf Wellpappe, auf die sie blaue und weiße Schlaglichter und schwungvolle schwarze Figurenzeichnung setzt. 

Im dargestellten Handgemenge scheinen drohende Gesten und Würgegriffe auf, ein beklemmender Schrei löst sich aus weit aufgerissenem Mund in einem geschminkten Gesicht über der Halskrause, und wir fragen uns, welche Verbrechen jemand unter der Maske Oliver Hardys begeht, der uns mit Schnauz und Melone anschaut. Oder ist er ein Opfer? Aus weiteren Serien zeigt die Künstlerin unter anderem ein lebensgroßes Porträt der „clowns in ecstasy“ entrückt tanzend. 

 

Im Obergeschoss 

lädt Marlies Blauth uns ein zur Betrachtung ihrer Ornamente, die uns herausnehmen aus dem Chaos der Welt hinein in ästhetische Ordnungen. Der vierfache florale Fries aus vielfältigen, auch pflanzlichen Materialien beginnt aufsteigend mit noch naturalistischer Anmutung in einer Girlande fünffingriger Blätter und Blüten. Darüber hängen auf einem von Maserungen durchzogenen Paneel birkenlaubig schmale Herzen mit gepunkteter Umrandung. Ein Wimmeln rotgrüner Zellen mit leuchtenden Kernen zwischen hellen Tentakeln versetzt uns in mikroskopische Ebenen und schließlich stehen stilisierte Formen in roten Lineaturen wie auf blassen Porzellanfliesen. 

Liane Lonken schickt ein Schiff auf „Jungfernfahrt“, das, lange versunken in Ozeanen, von Algen und Korallen überwuchert, sich mühsam vom Grunde löst, die Wedel des Tangs mit sich emporziehend. Aus den Höhlungen des unkenntlich gewordenen Rumpfs scheinen geheimnishafte Lichter auf. Ist es unser blaugrüner Planet auf taumelnder Reise in den Absturz? Kündigt sich die finale Explosion an? Oder können wir unsere Welt noch retten? Im Erdgeschoss hat die Künstlerin eine Wand mit kleinen Landschaften gestaltet, die je ihren eigenen Reiz entfalten zwischen sumpfig-dunklen Mangroven  und mineralisch versinterten Felsen mit dampfig heißen Quellen. 

Foto-Ausschnitte von Farnen vernäht Eva Witter-Mante zu einem Patchwork, das die natürlichen Gliederungen der Pflanzen durchschneidet und in der Gleichmäßigkeit der im Verbund gesetzten Formate eine Kunst-Struktur schafft. Wie ein Fenster ist eine größere Fläche mit buntem Zickzack eingefügt, entsprechend dem vielfarbigen Plastikmüll, der darauf zu sehen ist. Das ist die von uns geschaffene und oft geleugnete zerstörerische „Gefahr“. 

Die „Stele“ der Künstlerin ist eine schlicht-raffinierte Form, Einbaum und Ruder zugleich, sich verflachend und ausweitend, dabei die verschieden geflammten, helleren und dunkleren Maserungen hervorbringend. 

Sabine Gille hat sich den Hochsitzen genähert, diesen gestelzt-gebrechlichen Gehäusen, die den Menschen absurd über die Geschöpfe erheben. Auf den diffus zerlaufenden Hintergründen der Landschaften setzt sich das Gitter- und Gatterhafte der Konstrukte fort: „Bergisch“ thront einer unter angedeutetem Regenbogen, der eigentlich Versöhnung bedeutet, im Wettkampf anderer um „die längste“ Leiter, den höchsten Stand, den weitesten Radius entscheidet Pulverdampf das „Duell“ über blumiger Wiese. Und bei der Dornröschenlichtung, deren Ranken kräftig wuchern, hoffen wir, dass uns die Vernunft erwacht und alles Töten unter grünem Wachsen beendet.  

Rita Viehoff führt uns zunächst „querfeldein“: Auf dem grünblauen Ölgrund der Leinwand erzeugen einige offene Ockerecke Spannung über einem zentralen Komplex, der auf kastenförmigen Rudimenten lagert und in unterschiedlichen Richtungen mit warmen Weißtönen gestrichen ist. Im korrespondierenden Hochformat geht der Blick durch dunkle Baumstämme auf eine abstrahierte Landschaftlichkeit: Boot und See, Hügel und Feld, Haus und Hang, Himmel vielleicht. Mit den beiden Papierarbeiten der Malerin streifen wir „Waldwärts“, mit den weißen, gelblichen, grauen und schwarzen Tönen von Birkenrinden, die in Spiralen und Schleifen die Kräfte der Natur verwirbeln.  

In Shahin Damizadehs „Tanz der Freiheit“ sind drei Figuren, deren Oberkörper in Kreisen schwingen, mit dem Pinsel so auf die Leinwand gezogen, als seien sie aus den hauchdünnen Spänen eines rötlichen Holzes darauf gelegt und zugleich aus einem gebogenen Notenpapier, das die Melodie ihrer Bewegungen aufzeichnet. Auf gespenstisch dünnen Beinen wie auf den Bögen der Streicher rotieren sie aus dem Leiblichen hinaus sich drehend ins Eigentliche, in die Einheit. Die „Befreiung des Alphabets“ ist in spiraligen Schwüngen mit leuchtendem Blau ins Dunkle gedrechselt, architektonische Zeichen einer Schrift jenseits alles Konkreten und Bekannten. 

Mit Alexa Reckewitz dreiteiliger Arbeit sind wir unterwegs auf einer Straße übers flache Land mit einzelnen Bäumen, ein grauer Tag oder ein wenig dämmerig ist es, auf der anderen Fahrbahn zischen die Wagen vorüber. Die zeichnerische Gestaltung in der visuellen Verzerrung der schwarzen Karossen und der ausgezogenen gelben und roten Streifen der Lichter überträgt synästhetisch die Hörbarkeit der auseinander strebenden Dynamik, während die Konturen der dünnen Stämme und ihr spärliches Laub in der Geschwindigkeit sich mehr und mehr auflösen, verfliegen, dann verschwimmen. 

Helga von Berg-Harders Fotolyrik überhöht und vertieft Wirklichkeiten mit außergewöhnlichen Lichteffekten. In der Verbindung von „Gretchen und Mephisto“ wählt die Künstlerin ein weltanschaulich weitreichendes Thema im Spannungsfeld von Gut und Böse, Unschuld und Sühne, deren Gegensätzlichkeit in ihrer Darstellung aufgehoben werden. Rotgolden und kobaltblau geistern die Flammen, Himmelsglanz oder Höllenfeuerüber beide Büsten, erleuchten gleichermaßen das hoheitsvolles Profil der Frau und die unheimlich-bedrohlichen Gesichter des mythischen Antagonisten. 

In Irmhild Schaefers Gemälden betreten wir uns Willkommen heißende Gärten, in denen Blüten und Blätter, Büsche und Bäume, kleine Seen und Fontänen eine anziehende Harmonie von Farben und Formen ausstrahlen, die im kraftvollen Pinselduktus der Künstlerin Gestalt gewinnen. 

Manches sehen wir von ganz nahe an wie die riesige zum Teil collagierte „Tulpenrose“, die rotrosaorange prall und prankend das Format füllt, ausgewogen eingebettet in blaugrüne Kontraste. Und so wünschen wir uns, dort auszuruhen wie ein „Gärtner“, dessen Sein und Wirken in der lebendigen Schönheit aufgeht. 

Wir wünschen Ihnen viel Freude in der Ausstellung, die in den gegliederten Räumen der Galerie jede einzelne Arbeit zur Geltung bringt und viele miteinander in Dialog treten lässt. 

Dafür danken wir Daniela Wert und Liane Lonken für das Konzept, Heidi Becker, Alexa Reckewitz und Rita Viehoff, die dessen Realisierung unterstützt haben und Alexander Ivo Franz, der uns sein Haus zu Verfügung stellt. 

Ruhr Gallery Mühlheim, 5. Februar 2023