Die NEUEN der GEDOK

Sonntag, 1. September 2024, 11.00 Uhr, Bergische Kunstgenossenschaft (BKG) e.V., Kolkmannhaus, OG 3, Hofaue 55 (Innenhof), 42103 Wuppertal

Auf Einladung der Bergischen Kunstgenossenschaft (BKG) e.V. stellt die GEDOK Wuppertal e.V. ihre im Jahr 2023 neu aufgenommenen Bildenden Künstlerinnen im Atelier der BKG der Öffentlichkeit vor.

Farnaz Beheshti, Iris Bieschien, Ilona Reinhardt, Anke Schmidt und Claudia Schnitzler präsentieren sich in der Ausstellung „5 fünf 5“
mit einem spannenden formalen und inhaltlichem Spektrum von Malerei, Installationen und Objekten.

Eine Einführung zu den Werken gibt die GEDOK-Publizistin Dr. Jutta Höfel.

Vernissage Sonntag, 01.09.2024, 11 Uhr (geöffnet bis 13 Uhr)
Begrüßung Brigitte Melchers, Vorsitzende der GEDOK Wuppertal e.V.
und Michael Alles, Vorsitzender der BKG Wuppertal e.V.
Einführung Dr. Jutta Höfel
Dauer der Ausstellung 08.–22.09.2024
Öffnungszeiten Sa + So 14–17 Uhr sowie nach Vereinbarung
www.bkg-wuppertal.de

  • Fotos der Ausstellung „5von5“

Einführung von Dr. Jutta Höfel

Fünf Persönlichkeiten, fünf Sinne, mit denen sie die Welt aufnehmen, fünf Aspekte der Kunst, die sie daraus gestalten. Die neuen Künstlerinnen der GEDOK Wuppertal locken uns mit exemplarischen Exponaten aus dem Eingangsraum in die Fortsetzung ihrer Konzepte: mit einer orientalisch anmutenden Aquarellzeichnung, zwei kleinen Materialablagerungen, mit aufbrechenden textilen Schichtungen, einem fest in Folie verpuppten Klappstuhl und einem Schieferstapel gespickt mit baukastenbunten Nägeln.

Für ihre Malerei verbindet Farnaz Beheshti Attribute persischer Miniaturen mit anderen formalen Impulsen zum Ausdruck ihrer Vorstellungswelt, in der die Elemente der Natur und menschliche Gestalten ineinander übergehen: Bläuliche und grünliche Schleier formen sich zu Landschaften an Ufern und Stränden, an denen Erd- und Wasserfrauen in ihr Inneres lauschen und Liebespaare einander umarmen und halten, vereint durch innere Lebensfäden, die die mit pastelligen oder kräftigen Tönen gefüllten Konturen überzeichnen.

Das Gemälde „Mah-Monir“ ist einer jungen iranischen Mutter gewidmet, deren Schönheit, Schmerz und Hoffnung die Künstlerin in abstrakte Bewegungen überträgt. Wellen in sandigen Farben, die wie vom Wind getriebene Dünen über die Fläche wandern, zersetzen sich zur Mitte hin in kleine Flächen, die zunehmend grauer und dunkler werden. Darüber verschlingt sich ein Gewirr von Fäden zum Teil des Labyrinths. Doch über dem finstersten Chaos liegt ein Regenbogenbündel als greifbares Zuversichtszeichen.

Daneben finden wir das mosaikartige Porträt einer Frau, aus tiefem Schwarz herausgearbeitet, das stehen bleibt als Rahmen und zwischen den Segmenten, die sich zur Mitte hin in zunehmend hellerem Blaugrün auffächern wie stilisierte Blütenblätter. Das Gedicht Farnaz Beheshtis konkretisiert das bildnerische Erlebnis.

Iris Bieschin erforscht das Zusammenwirken von Materialien in ihrer Malerei, ihren Objekten und Installationen. Zum Beispiel die Bezüge von Formen, Farben und Strukturen in der großen Mixed-Media-Arbeit mit kalligraphischer Zeichnung und dem davor gelagerten behauenen Steinblock.

Auch das Ensemble in der rechten Ecke erinnert an eine Fundstätte: ein knittriges Tuch wie von einem Bett oder vor einem Fenster hängend, auf dem Boden darauf drei Objekte aus Pappmaché, Draht und Stoff, „gebogene Bilder“, nennt sie die Künstlerin. Durch den haptischen Farbauftrag sind sie meeresverkrusteten antiken Keramiken ähnlich, deren vordere amphorige sich wie eine Hystera öffnet, die dem Werk den Titel gibt.

Die weißtonige geometrisch gegliederte Wandarbeit ist in Lagen von Leinwand, Pappen und Papieren, in Ebenen von Acryl, Tusche, Öl und Wachs geschichtet, die auf den welligen und gefälteten Untergründen verschieden nuancierte Qualitäten entwickeln: matter oder glänzender, glatter oder rauer, deckender oder poröser.

Das feine Relief verbindet den zeitlichen Aspekt des vielfachen Nacheinanders mit dem räumlichen Übereinander, was ebenso für drei kleine Formate in variierten Ockerstufen gilt, wie aus turbulenten Sedimentationen geschnittene Stücke, in denen die Verdichtung von Sänden und Stäuben unkenntlich Gewordenes einschließt.

Ein Zufallsfund und das Zufallsprinzip waren für Ilona Reinhardt der Beginn ihrer Werke mit den Resten von Stoffen, die sie mit ihren Schülerinnen und Schülern in Pflanzen-Substanzen gefärbt hatte. Die daraus gerissenen Streifen vernähte die Künstlerin zu nun locker hängenden Gebilden, deren „Nachhall“ in frisch-sanften Farbklängen Assoziationen weckt von abgelegter Kleidung, beiseite geräumten Dekorationen oder lässig verwahrten Fahnen.

Andere Stoffe wurden mit Filz verstärkt, mit flauschigen Fasern überzogen und zu trichterförmigen Röhren verbunden, die im „Pas de deux“ eine tänzerische Beziehung aufnehmen.

Ihre Leinwände formt Ilona Reinhardt in der ihr eigenen Technik mit Wollvliesen und Ölfarben zu einer Grenzüberschreitung von Malerei und Objekt, in der sie sich mit den Grundlagen natürlicher Prozesse beschäftigt.

Die haarigen Texturen verzupft die Künstlerin zu transparent bleibenden Reliefs in gelb-grünen und rosigen Tönen, die im „Aufbruch“ die feste Decke gräulicher Überzüge sprengen, durchwuchern und auflösen.

Beinahe „Verschwunden“ unter fein verhüllendem Gespinst ist Dunkleres, das hervorschimmert und Helles, das herauslugt. Die Arbeiten vermitteln den Eindruck einer untergründigen Dynamik, eines nur für den Moment unserer Betrachtung innehaltenden Wachstums, das sich mit leisem Wispern und Zischen fortsetzt, sobald wir uns abwenden.

Anke Schmidt bietet durch die vielsagende Auslassung in ihrem Titel „Ich hab so eine Ahnung, dass … Pythia schweigt“ unterschiedliche Lesarten ihrer Installation an: als getrennte Aussagen oder: das Verstummen der Wahrsagerin ist ein Inhalt dieser diffusen Wahrnehmung, der sich die Künstlerin mit ihrer Komposition von Gegenständen, Fotografien und audiovisuellen Montagen nähert, mit denen sie das uns oft angstvoll anwandelnde Ungefähre umreißt, sichtet, umkreist und verdichtet.

Hintergründig beherrschend ist das große Bild eines halbdurchlässigen Vorhangs, Symbol der dessen, womit wir rechnen müssen, ohne zu wissen, was es sein kann. Links davon sind über Aussichtsgeräte hinweg von der einstigen Erwartungsinsel Ellis Island die Twin Towers erfasst, denen wir mit so vielen Implikationen ihrer Zerstörung begegnen.

In dem offenstehenden Metallkoffer wechseln Bilder von Menschen und Räumen in beklemmenden Konstellationen und Situationen, deren Wirkungen sich ebenso wie die der ineinander gesprochenen und zum Teil refrainartig wiederholten Listung von Ahnungen allmählich und im Blick auf andere Installationsobjekte entfaltet: zum Beispiel auf die spinnenbeinigen Ziernagelstreifen und ihren Bezug zur zweiten Monitorschau, auf die beiden durch Zeichnungen gesperrten Wartestühle, auf das zusammengelegte rote Tuch, und auf das unheimliche Kohle-Porträt im vordersten Grund.

Claudia Schnitzler zeigt Teile ihres Gesamtkonzepts „Gerettete Vergangenheit“, das in der Auseinandersetzung mit Rudimenten aus dem Abriss des alten Dorstener Bahnhofs entstanden ist und spielerisch Aspekte eines solchen Ortes in Szene setzt.

Im ersten Raum hängt „Das Netz“, ein filigran-kraftvolles Gewebe, ein sich wölbendes Gewabe, geklebt aus einander überlappenden Packpapierpunkten, die zum einen die Stationen markieren, zum anderen zugleich das faziale Gerank bilden, das dem Verkehren kreuz und quer, dem Fahren durch Räume und Zeiten die Infrastruktur bietet.

In den hängenden und auf dem Boden verteilten „weißen Taschen“, sieben an der Märchenzahl und in der Farbe der Unschuld, verbarg sich einst die interne zugreisende Post der Bahn, nun sind sie vom Dienst freigestellt und bereit, mit unseren Assoziationen gefüllt zu werden.

Die „Bhf-DNA“ besteht aus alten Sitzplatzreservierungsschildchenhaltern, die in regelmäßigen Abständen auf eine locker geschwungene Papierbahn montiert und mit Schlagworten dessen bestückt sind, was uns in Bahnhöfen begegnet, was wir wahrnehmen, fühlen und denken, das menschliche Leben als Rückgrattreppe des Bahnhofskörpers.

Und wenn wir bei dieser Metaphorik bleiben, sehen wir mit zwei von sehr viel Schwarz gerahmten Guckkasten-Durchblicken in die Kellereingeweide der Gebäude, auf alte Ziegelmauern und Versorgungsleitungen, die einen geheimnishaften Reiz ausstrahlen.

© 2024 Dr. Jutta Höfel